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Freitag, 25. Mai 2018

Karl Marx und das Gespenst der DSGVO

Drei Jahre nach Bismarck und 301 Jahre nach Luthers Thesenanschlag wurde Karl Marx geboren. Anfang Mai hätte er seinen 200. Geburtstag feiern können, wenn er nicht schon mit 64 Jahren gestorben wäre. Um den marxistischen Geburtstag rankten sich viele Veranstaltungen - beispielsweise beim Bundespräsidenten ein "Podiumsgespräch über Geschichte und Aktualität" der Ideen von Karl Marx.

1848 - also mit 30 Jahren - verfasste Karl Marx zusammen mit Friedrich Engels das Kommunistische Manifest. Der Arbeiterklasse stehe das Bürgertum gegenüber. Dieses sei zu bekämpfen und im Ergebnis der Kommunismus zu etablieren. Kommunismus in der marxistischen Auffassung bedeutet, dass Alles Allen gehöre und Alle gleich seien. Dieser altruistische Ansatz wurde einige Jahre später in die Praxis umzusetzen versucht. Natürlich mit viel Blut und kollektiver Zwangsbeglückung.

Dazu passt auch der erste Satz des Kommunistischen Manifestes: "Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus."

DSGVO Karl Marx Kontakte Visitenkarten
Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst der DSGVO. Das Bild zeigt die vorletzte Stufe zur präventiven Vernichtung von Visitenkarten und Kontaktdaten in unserem Hause.
Eine Zwangsbeglückung Europas soll wohl auch die heute in Kraft tretende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) darstellen. Der Verbraucher soll geschützt werden. Seine Daten sollen für ihn selbst transparent und jederzeit abrufbar sein.

Jeder EU-Bürger hat sich an die DSGVO zu halten. Firmen können mit Strafen von bis zu 4% ihres Jahresumsatzes konfrontiert werden.

Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst der DSGVO.

Die Rechte und Pflichten der DSGVO betreffen jeden EU-Bürger, auch den Schüler mit privaten Rufnummern auf dem Smartphone und die Oma mit E-Mail-Account. Man könnte fast meinen, die EU ziehe eine Schlinge um den Hals ihrer Bürger und verhindere den technologischen Fortschritt, der vom Silicon Valley aus schon lange an uns vorbeizieht.

Das Gespenst der DSGVO hat schon für manche Alpträume gesorgt, war plötzlich in Firmen aufgetaucht und hat insbesondere kleineren Handwerksbetrieben ins Ohr geflüstert: "Schalte deine Webseite ab! Lösche deine Datenbanken!"

So ist es kein Wunder, dass wir für mehrere Kunden in den letzten Tagen Domains und ganze CRM-Systeme löschen sollten. Die Deaktivierung von Webseiten war dabei noch die harmloseste Maßnahme.

Die Verunsicherung ist groß. Im Gefolge des Gespenstes wird eine Armada von Mitessern prophezeit. Noch sind sie nicht sichtbar, aber sie werden kommen: Abmahn-Anwälte.

So wie das Gespenst des Kommunismus die gesellschaftliche Entwicklung vieler Länder in vorsintflutliche Zeiten zurückkatapultiert hatte, so nagt auch das Gespenst der DSGVO an der wirtschaftlichen Entfaltung Europas. Europa schafft sich ab durch Dekadenz,  Bildungsnotstand und volkswirtschaftliche Fehlgriffe wie die DSGVO.

Übrigens: Dieser Beitrag ist als Meinungsäußerung gemäß der Artikel 4, Absätze 1 und 2 sowie Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes zu verstehen. Einen sachlicheren Artikel zum Thema gibt es unter dem Titel "Sparen für die DSGVO".

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 15. Februar 2018

Sparen für die DSGVO

Ab dem 25. Mai 2018 tritt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft. Sie gilt für den Raum der EU und sieht drastische Strafen für Verstöße vor. Die Bußgelder sollen abschreckend und erzieherisch wirken. Diese haben eine Obergrenze von 20 Millionen Euro je Verstoß bzw. einen Standardsatz von 4% des Jahresumsatzes.

4% des Umsatzes

Da Umsatz und Ertrag auch von vermeintlichen Fachleuten gerne egalisiert werden, hier noch einmal der entscheidende Unterschied: Umsatz beinhaltet alle Einnahmen einer Firma ohne Gegenrechnung der Kosten. Ertrag ist das, was zwischen Umsatz und Kosten übrig bleibt. Bei Handwerkern ist gelegentlich zu beobachten, dass die Kosten sogar höher sind als der Umsatz. Dann gibt es keinen Ertrag, sondern Verlust.

Die DSGVO setzt jedoch auf dem Umsatz auf. Wohl dem, der das durch eine hohe Rendite - also einen hohen Ertrag - abfangen kann.

Es (be)trifft alle EU-Bürger.

Wie immer, wenn man sich in Brüssel etwas ausdenkt, geht es um viel Papier und exzessive Dokumentationspflichten. Ein klares Statement für 4.0 und Big Data. Nach DSGVO Kapitel 1 Artikel 2 (1) gilt das für Unternehmen, Verbände und alle EU-Bürger mit einem Computer oder Smartphone. Diese müssen zukünftig akribisch darauf achten, welche personenbezogenen Daten sie erheben, speichern, verarbeiten, ändern und löschen. Sämtliche Verarbeitungsschritte sind zu dokumentieren und auf Verlangen der Datenschutzbehörde auszuhändigen.

Ab zehn Mitarbeitern mit Zugriff auf personenbezogene Daten ist ein Datenschutzbeauftragter zu benennen. Die Haftung liegt jedoch beim Inhaber des Unternehmens oder dem Vorstand der Organisation. Wie Privatpersonen zur Rechenschaft gezogen werden, ist unklar. 4% des Brutto-Jahresgehaltes oder der Transferleistungen? Eine wohl eher theoretische Überlegung, die in der Praxis kaum zum Tragen kommen dürfte. Das wäre wohl zu unrentabel für die Datenschutzbehörden.

Es beginnt mit der E-Mail.

Privatpersonen könnten damit argumentieren, dass sie keine Datenbanken nutzen. Allerdings beginnt die Speicherung von personenbezogenen Daten bereits beim Empfang einer E-Mail. Über die Absenderadresse ist die Person am anderen Ende oft eindeutig identifizierbar. Vorsicht ist auch beim Speichern von Visitenkarten geboten. Dass eine Visitenkarte überreicht wurde, ist noch lange keine Genehmigung zur elektronischen Speicherung und Verarbeitung der darauf abgedruckten Daten.

Nach Kapitel 1 Artikel 2 (2) gibt es jedoch Ausnahmen. Wenn die personenbezogenen Daten zur Erfüllung eines Vertrages oder zur Geschäftsanbahnung notwendig sind, können diese gespeichert werden. Als Regel gilt: Zweck weg = Daten weg! Allerdings könnte für spätere Streitereien ein partielles Aufbewahren der Daten notwendig sein. Gleiches gilt für fiskalische Aufbewahrungsfristen.

Theorie und Praxis

Allein dieser sehr kurze Abriss zeigt, dass die DSGVO ähnlich praxisfremd ist wie die gerade EU-Banane. Was tun?

  • Als Sofortmaßnahme sollte die Datenschutzbestimmung auf der eigenen Webseiten überprüft und ergänzt werden.
  • Im ohnehin schon umfangreichen Mail-Impressum, sollte ein Link zu dieser Datenschutzerklärung eingefügt werden. Ferner ein Hinweis auf die Widerrufsmöglichkeit mit Löschoption der personenbezogenen Daten des Gegenübers.
  • Sinnvoll ist der Aufbau einer Blacklist. Diese enthält nur minimale Angaben wie die Mailadresse und dient der Verhinderung einer erneuten Kontaktierung oder detaillierten Speicherung von Daten.
  • Vorhandene Daten kategorisieren und konsequent ausmisten.
  • Datenverarbeitungsverträge mit sämtlichen Kunden und Dienstleistern abschließen.
  • Webseiten auf SSL-Verschlüsselung umstellen.
  • Updates einspielen, die die Historie von personenbezogenen Datensätzen dokumentiert.

Umsatz und Geschäftsmodelle

Allein die genannten Sofortmaßnahmen dürften den Umsatz der IT-Unternehmen steigern. Anbietern von SSL-Zertifikaten, Webhostern, Softwarehäusern, IT-Beratern und Medienanwälten erschließt sich mit der DSGVO ein erhebliches Umsatzpotenzial für 2018. Damit steigert sich gleichzeitig das Potenzial der Bußgelder aus 4% des Umsatzes. Das wiederum kommt der gesamten Gesellschaft zugute. Volkswirtschaft pur. Vielleicht wollen die Experten der EU ja doch nur das Beste?

Vielen Dank an die DPRG für den interessanten Infoabend!

Autor: Matthias Baumann

Montag, 15. Februar 2016

#BVMW Jahresempfang

Über 3.000 Gäste hatten sich zum heutigen Jahresempfang des BVMW Bundesverband mittelständische Wirtschaft angemeldet. Ein Grund, das Hotel Maritim in der Stauffenbergstraße zu wählen. Obwohl wir sehr pünktlich eintrafen, gab es vor dem Hotel keinen freien Parkplatz mehr und an mehreren Anmeldecountern hatten sich lange - sehr lange - Schlangen gebildet. Wir gestalteten die Anmeldezeremonie antizyklisch, bekamen die Ehrengastbändchen und begaben uns in ein gut bewachtes Séparée.

#BVMW Jahresempfang
Günther Oettinger spricht beim BVMW Jahresempfang über Buchdruck, Dampfmaschine und 4.0
Nach einem Glas Sekt und einigen Smalltalks war es Zeit für den offiziellen Teil im Saal Maritim, der bis zu 3.200 Personen Platz bietet. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt. Immerhin fuhr der BVMW jede Menge Promis auf. Es begann mit Günther Oettinger, der sich zunächst über die überproportionale Schwabenpräsenz freute. Dann begann er beim Buchdruck, hangelte sich an der Dampfmaschine entlang und endete schließlich bei seinem Lieblingsthema Netzausbau.

Kommissar 4.0 gestand vor über 6.000 Ohren, dass er auf dem Flughafen von Brüssel der einzige Leser einer Papierzeitung sei. Kein Wunder also, dass ihn seine Oma als "Lausbub in Brüssel" bezeichnet. Immer noch beeindruckt von der Grünen Woche und Food 4.0 meinte er, dass man auf dem Lande eher Schlaglöcher als Funklöcher verkraften könne. Wenn der Traktor oder die sensorische Kuh kein Netz habe, geht da gar nichts mehr. Passend zu Food 4.0 ging er auch auf die Markenkenntnis des angebissenen Apfels ein, die inzwischen höher sei als die des Sterns oder des blau-weißen Propellers von BMW. Man müsse sich auch darauf einstellen, dass nicht mehr die Idylle eines Grundstücks dessen Wert ausmache, sondern dessen Netzanbindung.

#BVMW Jahresempfang
BVMW-Präsident Mario Ohoven fordert Fairness von der Politik
Dann zog Mario Ohoven ins Feld und holte zu einem Rundumschlag gegen die Politik aus. "Fair" war sein Schlagwort, mit dem er sich gegen unfaire Steuergesetzgebung, unfaire Flüchtlingspolitik und unfaire Entlohnung aussprach. Hellhörig wurden wir bei seiner Forderung nach Förderung von Wagniskapital, welches ja zurzeit noch aus der privaten Schatulle erbracht und damit voll versteuert werden muss.

Einen ganz anderen Ansatz verfolgte der jüngste Ministerpräsident Europas, Taavi Röivas aus Estland. Er zeigte in seiner ebenfalls sehr ausführlichen Rede, wie eGovernment in der Praxis aussehen kann. Im Gegensatz zu Deutschland, wo zum großen Leidwesen des Innenministeriums noch jeder sein eigenes digitales Süppchen kocht, disruptiert Estland den digitalen Behördenmarkt. Es gibt dort keine Steuerberater mehr, da jeder bereits vorausgefüllte Steuererklärungen vom Finanzamt bekomme, die er nur noch validieren und signieren muss. Die Signatur erfolgt fast flächendeckend über den gechipten Personalausweis. Stolz präsentierte uns Taavi Röivas seine Chipkarte, mit der er auf dem Weg von Tegel zum Maritim mehrere Regierungsdokumente online unterzeichnet hatte.

#BVMW Jahresempfang
Estlands Ministerpräsident Taavi Röivas spricht beim BVMW Jahresempfang über Digitalisierung
In Estland werden auf diese Weise 2% des Bruttoinlandsproduktes eingespart. Diese 2% stehen dem Verteidigungshaushalt zur Verfügung. Das Steuersystem und die Behördenwege sind so einfach gestrickt, dass 97% der Bevölkerung ihre Steuererklärung online abgeben, Firmen innerhalb weniger Stunden ihren Start-up hinlegen und bei verdienstrelevanten Anfragen per Knopfdruck überall alle Daten zur Verfügung stehen. Es gibt etwa 1,3 Millionen gläserne Bürger in Estland und täglich werden es mehr, da man nämlich auch als Ausländer online die Staatsbürgerschaft inklusive Chipkarte beantragen kann. 8.000 Deutsche seien inzwischen im Besitz solch einer Karte.

Eigentlich hätten wir gerne noch Bundesminister Müller gehört, aber die drei Impulsvorträge hatten bereits zwei Stunden in Anspruch genommen. Nach einem ausgedehnten Genuss der Leckereien des Buffets in Kombination mit Wasser und Rotwein stellten wir fest, dass der BMZ-Minister gerade am Ende seiner Rede angelangt war und nun der Schwabe Cem Özdemir von den Grünen auf die Bühne trat. Da es schon recht spät war, holten wir unsere Mäntel und begaben uns auf den Heimweg.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 18. Januar 2016

Farm & Food 4.0 International Conference

Der Artikel zur heutigen ersten Farm & Food 4.0 war bereits gedanklich durchformuliert bevor die Konferenz im bcc am Alexanderplatz überhaupt begonnen hatte. Anhand der Themen im Programmheft war klar, worum es gehen wird und dass die Modebegriffe Disruption, Big Data und Vier-Null wohl nur noch etwas auf die Landwirtschaft angepasst werden.

Farm & Food 4.0 International Conference
Farm & Food 4.0 International Conference
Was dann allerdings geschah, kann am besten mit folgendem Wort beschrieben werden: Sprachlosigkeit.

Christoph Keese, Executive Vice President Axel Springer SE, wurde von 365FarmNet-Chef Maximilian von Löbbecke zum ersten Impulsvortrag auf die Bühne gebeten und sprach über Disruption. Bereits bei den ersten Sätzen merkten wir, dass Disruption bei ihm keine wohlklingende Worthülse zum Füllen der Ansprache war, sondern tatsächliche Inhalte dahinter standen. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.

Anhand des Axel-Springer-Konzerns erläuterte Christoph Keese den frühzeitigen Einstieg in die digitale Medienwelt und den vorhandenen aber mäßigen Erfolg zwischen 2006 und 2012. Erst nach der Anmietung eines Häuschens im Silicon Valley sei der massive Aufschwung im Digitalsegment erzielt worden. Warum?

Farm & Food 4.0 International Conference
Farm & Food 4.0 - Christoph Keese erläutert disruptive Innovation am Beispiel IBM versus Nixdorff
Im Silicon Valley bekam er ein Gefühl dafür, wie Disruption tatsächlich tickt. Disruption tickt nämlich nicht nur als Herzschlag einer neuen Generation, sondern auch als Zeitbombe für die Old Economy. Auf den zehn mal vierzig Kilometern des Silicon Valley feierten einst die Hippies ihre wilden Partys - Love and Peace und Anti-Establishment. Damals hatten sie damit wenig Erfolg. Ihre Kinder jedoch umso mehr. Die Disruption greift das Establishment an - und zwar digital und sehr effektiv. Wir hielten fast den Atem an, denn was der Mann dort erzählte, klang schlüssig und sagte eine ökonomische Umwälzung von bisher ungeahntem Ausmaß voraus.

Selbst Harvard-Professor Clayton Christensen werfe in seinem Buch "The Innovator's Dilemma" sämtliche Lehrsätze seiner Universität über den Haufen. Christoph Keese fasste den Inhalt dieses äußerst wissenschaftlich geschriebenen Buches wie folgt zusammen:

Disruptive Innovation beschreibt einen Prozess, bei dem ein Produkt oder eine Dienstleistung ihren Anfang in einer zunächst simplen Anwendung am unteren Ende des Marktes nimmt und dann unaufhörlich nach oben aufsteigt, wo es früher oder später dann den etablierten Wettbewerber ersetzt.

Die beiden Grundsätze der Digitalökonomie seien Disruption und Plattformen.

Plattformen sollte man nicht mit Portalen verwechseln, da Portale eine transparente Drehscheibe für Anbieter und Konsumenten verkörpern, wogegen Plattformen wie eine Mauer zwischen Anbieter und Konsument stehen. Eine Mauer, die von der jeweiligen Seite genutzt werde, jedoch den direkten Kontakt verhindere. Die Plattform stelle die zunächst lukrativ wirkende Schnittstelle zum Kunden her. Der Kunde kaufe sehr günstig bei der Plattform, während die Plattform konsequent die Margen der zuvor mit Kundenmasse gelockten Anbieter drücke. Dadurch erhöhe sich die Rendite der Plattform, die letztlich der eigentliche Gewinner des Konstruktes sei. Einige Anbieter dränge das schon fast an den Rand des Ruins, denn wer möchte schon auf eine gut funktionierende Vertriebs-Plattform verzichten.

Er ging dann auf den Unterschied von erhaltender Innovation und disruptiver Innovation ein und brachte das Beispiel der Schallplatte. Die Ersetzung der Schallplatte durch die CD-Technologie sei eine typische erhaltende Innovation, da es ein physisches Medium gebe, das über Ladengeschäfte oder Versandhäuser an den Kunden übergeben werden müsse. Eine disruptive Innovation sei hingegen die Schaffung von Online-Plattformen, die für einen Bruchteil des Geldes die gesamte weltweit verfügbare Musikpalette anbieten, ohne dass ein physischer Tonträger von A nach B zu bewegen wäre. Disruption!

Bemerkenswert sei die allgemeine Arroganz des Establishments, das sich als "Halbtoter auf dem Weg zum Friedhof" lange über die Bemühungen des Disruptors amüsiert. Christoph Keese prognostizierte eine Sterblichkeit durch alle Branchen von 95%. Nun fielen auch die letzten Kinnladen des Plenums nach unten.

Das Erfolgsrezept und wohl auch der einzige Weg des etablierten Unternehmens diese Situation zu meistern sei: "Investiere in deinen Kannibalen". So habe Axel Springer seit der Gewinnung des Gefühls für Disruption mit dem Aufkauf seiner Kannibalen begonnen und ein disruptives Unternehmen nach dem anderen gekauft. Darunter sind durchaus namhafte Firmen, die man nie mit BILD oder B.Z. in Zusammenhang gebracht hätte. Keeses Abschlusswarnung lautete deshalb:

"Disruptoren greifen an, wo Sie es nicht erwarten, mit Dingen, die Sie nicht ernst nehmen."

Farm & Food 4.0 International Conference
Google auf der Farm & Food 4.0 International Conference
Nach einer Videobotschaft von Achim Steiner, Executive Director United Nations Environment Programme, folgte eine Präsentation der Industry Leader Stefan Hentschel und Steffen Kramer von Google. Ihr disruptives Beispiel war der berührungslose Rasierapparat ohne Klingen. Auch sprachen sie das leidige und kostenintensive Thema Ablaufdiagramme und Projektpläne an, welches wir schon seit vielen Jahren als praxisfremd verworfen haben. Solch starre Vorgaben seien der "Tod eines Unternehmens".

Die Agrarwirtschaft sei bei der Internetnutzung übrigens sehr weit vorne. Die Recherche nach neuen Landmaschinen sei nur ein Anwendungsthema. Inzwischen werde effiziente Düngung und der gesundheitsorientierte Einsatz von Nutzvieh über 4.0-Technologien abgewickelt. Cloud und Sensorik verschmelzen zu einer Funktionseinheit und lassen den Landwirt schnell und opportun reagieren.

Besonders symbolträchtig waren die Fotos von Bauern mit Laptop auf Heuballen. EU-Kommissar Günther Oettinger führte dazu aus, dass man in ländlichen Gebieten heute eher Schlaglöcher als Funklöcher verkraften könne. Zudem empfahl er, dass der moderne Agraringenieur noch ein Zusatzstudium in Digitalisierung absolvieren solle. Als kritischen Hinweis an Google formulierte er, dass die Amerikaner mit ihren Plattformen anstreben, den Bauern von morgen von sich abhängig zu machen.

Zur Abrundung des Oettinger-Vortrages war Staatssekretärin Dorothee Bär aus Nürnberg eingeflogen. Wie wir bereits auf dem 9. IT-Gipfel erleben durften, arbeitet sie sehr eng mit Bundesminister Alexander Dobrindt zusammen. Ihr Ministerium gelte zwar momentan als "Datenministerium", es solle aber nach ihrem Wunsch bald als "Lebenserleichterungsministerium" in aller Munde sein. "Bauer sucht Cloud" war eine ihrer humoristischen Einwürfe, die sich mit pragmatischen Dingen wie Drohnen zur Schädlingsbekämpfung abwechselten.

Positiv beeindruckt über Digitalisierung, Disruption und 4.0 bei Farm & Food gingen wir zur Mittagspause und genossen das analoge Food.

Video:
Die oben beschriebenen Vorträge in voller Länge (by 365FarmNet)

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 18. November 2015

9. Nationaler IT-Gipfel und die globale Disruption

Die 47. Kalenderwoche ist eine ereignisreiche Woche für die deutsche Wirtschaft. Gestern fand der 1. Immobilien-Herbstdiskurs des ZIA im Kempinski Hotel Bristol statt. Heute folgte der zweitägige Deutsche Handelskongress im Maritim Hotel. Besonderes Highlight war auch in diesem Jahr das Gala-Dinner anlässlich der Verleihung des Deutschen Handelspreises. Darüber hatten wir ja bereits im letzten Jahr berichtet.

Deutscher Handelskongress 2015
Deutscher Handelskongress 2015 - Aussteller im Hotel Maritim
Beim Betrachten der Einladungen fragen wir uns immer wieder wie Angela Merkel und ihr Vizekanzler Gabriel solch ein Pensum an Veranstaltungen, Reden, Entscheidungsprozessen und dazu noch die Auseinandersetzung mit der Tagespolitik bewältigen.

Auf dem Handelskongress waren neben Etiketten- und Logistikanbietern wieder sehr viele IT-Unternehmen und Beratungsgesellschaften wie pwc oder Deloitte vertreten. Am Stand von pwc lernten wir, dass es inzwischen auch einen "Konsumenten 4.0" gebe. Dieser bewege sich im "Store 4.0". Einer Begleitbroschüre war zu entnehmen, dass das IT-Modewort "Disruption" inzwischen auch den Handel betrifft. Und obwohl sich der Handel dessen schon seit geraumer Zeit bewusst ist und virtuelle Verkaufsräume schon seit Jahren bei den Handelsimmobilien-Kongressen thematisiert werden, lässt sich diese Entwicklung nun klar benennen. Es handelt sich um Disruption.

9. IT-Gipfel Empfang
9. Nationaler IT-Gipfel - Empfang im "Kraftwerk"
Um das noch besser zu verinnerlichen, legten wir eine Disruption in der Tagesplanung ein und fuhren vom Deutschen Handelskongress zum 9. Nationalen IT-Gipfel ins "Kraftwerk" am Spreeufer. Hier ging es nicht nur um IT in einem ausgewählten Wirtschaftssegment, sondern um IT im Allgemeinen. Hier traf sich die Crème der IT-Wirtschaft, also die Protagonisten von Wirtschaft 4.0 und Industrie 4.0. Eine Veranstaltung, auf der wir so gut wie niemanden kannten. Das kommt nicht oft vor. Umso mehr freuten wir uns, als Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer auf uns zukam. Alexander Dobrindt war dann der zweite Bekannte, der uns mit gleichfalls starkem Händedruck begrüßte.

9. IT-Gipfel Empfang
9. Nationaler IT-Gipfel - Alexander Dobrindt
Am Pult erlebten wir eine Folge von Disruptionen. Zuerst sprach Bitkom-Präsident Thorsten Dirks, anschließend Wirtschaftssenatorin Yzer und danach der verantwortliche Minister Dobrindt.

Die Reden waren sehr kurz und disruptierten dann in der Eröffnung des Buffets mit ganzer Rinderkeule, Ofengemüse und Selleriepüree. Wegen der im Betastadium befindlichen Akustik 4.0 hatten wir so gut wie nichts von den Reden verstanden, obwohl wir in unmittelbarer Nähe des Pultes standen. Der MdB neben uns machte ein stimmungsvolles Foto von Alexander Dobrindt. "Das sieht ja sakral aus"! "Ja, und man versteht nichts, scheint Latein zu sein", sagte der Nachbar. Anhand vereinzelt aufgeschnappter Wortgruppen muss es um den idealen IT-Standort Berlin und schnelles Internet gegangen sein. "Einen schönen Abend", hörten wir noch von Alexander Dobrindt.

Am Buffet mussten wir feststellen, dass die "ganze Rinderkeule" zwar im Stück 36 Stunden lang im Aromabad gegart worden war, aber nur in Teilen abgegeben wurde. Parallel hörten wir durch die Lautsprecher, dass EU-Kommissar Günther Oettinger jetzt erschienen sei. Eine Disruption des bereits begonnenen Abendessens ließen viele der Gäste nicht zu, obwohl Günther Oettinger als Sprecher 4.0 auftrat und eine deutlich längere Ansprache hielt als seine Vorredner. Daran wurde deutlich, dass sich selbst die IT mit 4.0 noch schwer tut.

Apropos schwer tun:

9. IT-Gipfel Empfang
9. Nationaler IT-Gipfel - Empfang im "Kraftwerk"
Beim Betreten des "Kraftwerkes" hatten wir uns vor einer Werbewand fotografieren lassen. Die Fotos sollten wie üblich am Ende des Abends abgeholt werden. Es gab diesmal keinen Aufsteller, wo die ausgedruckten Fotos eingesteckt waren, sondern ein riesiges Tablet, auf dessen Screen man in einem virtuellen Stapel von 100 Fotos wühlen konnte. Wer zufällig sein Foto dort fand, konnte es per Mail an sich selbst senden.

Grafisch und spielerisch war das wohl recht ansprechend. Nach fünf Minuten hatten wir unser Foto immer noch nicht gefunden. Die Standbetreuer stellten fest, dass ja viel zu viele Fotos eingespielt worden seien, wofür die App gar nicht ausgelegt sei. Sie lösche dann ältere Fotos, um Platz zu gewinnen. Es bestand also noch Harmoniebedarf zwischen Big Tablet und Big Data. Sticks und Speicherkarten wurden nachgeladen. Unser Foto war nicht dabei. Nach zwanzig Minuten wurde ein Experte per Handy kontaktiert und das Tablet neu gestartet. Ab und zu sahen wir unser Foto in einem Ordner. Wurde dieser auf den verspielten App-Screen geladen, vermengte er sich sofort mit dem Haufen der zuletzt aufgenommenen Bilder und musste erneut gesucht werden. Da wir wissen wollten wie die finale Belohnung des Spielers aussieht, harrten wir die halbe Stunde geduldig aus und konnten dann endlich unser Foto aus dem virtuellen Fotoberg herausfischen, um es per Mail an uns senden. Auf das Eintreffen des Mails warten wir noch*. Zumindest waren der spielerische Aspekt und die Optik ganz nett.

Aus der oberen Etage hörte man Disco-Klänge. Weit über 500 Gäste werden nach Tanz und Networking vermutlich ihre Fotos per Mail an sich senden wollen. Wir verließen das "Kraftwerk".

Morgen geht der IT-Gipfel in die entscheidende thematische Runde. "Digitale Zukunft gestalten - Innovativ_Sicher_Leistungsstark" ist das Thema, mit dem sich Angela Merkel, Sigmar Gabriel, die Ministerinnen Wanka und Nahles sowie Bitkom-Präsident Dirks beschäftigen. Digitalisierung und die Vier-Punkt-Null-Derivate stehen auf der Agenda ganz oben. Bleibt nur zu hoffen, dass bei den damit verbundenen Disruptionen keiner auf der Strecke bleibt.

Autor: Matthias Baumann

*) Das Mail traf mit etwa 20 Stunden Zeitversatz am Folgetag ein. (Anmerkung der Redaktion)

Mittwoch, 11. November 2015

FinTechs auf der Digitalen Agenda

Vor zwei Jahren noch dachte man bei FinTech eher an Dachgepäckträger aus Finnland. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass FinTechs ernstzunehmende Wettbewerber auf dem Banken- und Versicherungssektor sind. FinTech steht für neue und natürlich digitale Technologien im Finanzbereich.

Viele FinTechs sind Start-ups und werkeln mit kreativen Ideen und Anwendungen an den klassischen Banken und Versicherungen vorbei. Einige Banken kooperieren mit solchen Firmen oder kaufen diese auf, um den eigenen Nachholbedarf zu bedienen und empfindlichen Wettbewerb zu neutralisieren. Dadurch verfügen FinTechs oftmals über Voll- oder Teilbanklizenzen.

Es gibt jedoch gesetzliche Rahmenbedingungen, die das unkontrollierte Wachsen neuer Technologien ausbremsen. So müsse beispielsweise eine Kontoänderung oder eine Kündigung immer noch schriftlich per Brief eingereicht werden, obwohl Kontoeröffnungen und sämtliche Transaktionen online erfolgen können.

Ausschuss Digitale Agenda Bundestag
50. Sitzung des Ausschusses Digitale Agenda im Bundestag zum Thema "Digitalisierung der Finanzwirtschaft"
Bei der heutigen 50. Sitzung des Ausschusses Digitale Agenda im Bundestag zum Thema "Digitalisierung der Finanzwirtschaft" bezeichnete einer der geladenen Experten das als "Old School". Andere Experten forderten ein Ende des Welpenschutzes für FinTechs. Es könne nicht sein, dass Banken und Versicherungen überreglementiert seien, während bei FinTechs die Augen des finanziellen Regelwerkes zugedrückt würden. Bei FinTechs sei zu Beginn zwar selten klar, wohin sich das Unternehmen letztlich entwickele. Dennoch sollten sie keine finanzrechtlichen Grauzonen zur Etablierung von Wettbewerbsvorteilen nutzen können.

Auch für die Abgeordneten und Experten gab es bei diesem Fachgespräch klare Regeln. Das begann mit der Reihenfolge der Fragen und Redebeiträge und endete bei konkreten Zeitvorgaben, die zwischen zwei und fünf Minuten lagen und mit einer nicht übersehbaren Anzeige auf den Screens heruntergezählt wurden. Dennoch konnten die achtzehn vorab bekannten Fragen in den zwei Stunden nur kurz gestreift werden.

Es ging auch um Bitcoins. Sobald diese im Spiel seien, könne man von einer Währung ausgehen, die ebenfalls Umrechnungskursen und der Besteuerung unterliege. Könnten Bitcoins die Währung der Wahl für Industrie 4.0 sein? Das sei bisher noch gar nicht geklärt. Überhaupt zerlege die Digitalisierung etablierte Wertschöpfungsketten in ihre Bestandteile und setze diese ganz neu zusammen.

Aus den Expertenkreisen war zu vernehmen, dass die etablierten Banken technologisch nachziehen. So seien neuere Debitorenkarten bereits heute in der Lage zu kontaktloser Zahlung. Dieses werde aktuell jedoch nur für Kleinbeträge im Vorbeigehen verwendet wie zum Beispiel im Fußballstadion.

Eine Disruption der Banken durch FinTechs ist nicht zu erwarten. Klassische Banken und Versicherungen bieten in der Regel ein breites Produktspektrum an, während sich FinTechs eher auf Nischen konzentrieren oder als Dienstleister für Geldtransaktionen fungieren.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 4. November 2015

Wirtschaft 4.0 bei der CDU/CSU-Fraktion

Fraktionsvize Michael Fuchs begann bei der Dampfmaschine und dem Buchdruck. Der Fraktionsvorsitzende Volker Kauder setzte mit Erfahrungen aus seinem durch den Mittelstand geprägten Wahlkreis Rottweil und Tuttlingen fort.

Der Bewahrer von heute sei der Verlierer von morgen oder anders formuliert: wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Großkonzerne der Region gäben bereits digitale Standards vor, die teilweise aktiv in die Geschäftsprozesse der Zulieferer eingreifen. Man könne sich dem zwar für eine kurze Zeit entziehen, müsse dann aber in Kauf nehmen, dass sich "die Großen" nach einer überschaubaren Übergangszeit an den Wettbewerber wenden.

Volker Kauder zeigte sich als Freund von Wirtschaft 4.0 und erhob einen gewissen Anspruch auf die durch ihn produzierten Daten. Der in diesem Zusammenhang mehrfach zitierte Fahrstuhl, der automatisch Wartungsintervalle an den Reparatur-Dienstleister übermittelt, verblasst neben den technischen Möglichkeiten intelligenter Häuser mit automatischer Kühlschrankbefüllung oder dem fahrerlos einparkenden Auto.

Wirtschaft 4.0 CDU/CSU-Fraktion
Angela Merkel zu "Wirtschaft 4.0 - Chancen für Deutschland"
Angela Merkel bekannte sich zur distanzfreien Nutzung neuer Technik, wolle sich davon jedoch nicht beherrschen lassen. Eine Landkarte im Kofferraum könne auch bei reger GPS-Nutzung nicht schaden. Die Autoindustrie bietet sich immer wieder gerne als Beispiel für den Vergleich mit dem Weltmarkt an. Die USA seien inzwischen mit digitalen Produkten weit vorne und Deutschland dürfe auf keinen Fall den Anschluss verpassen. Weltweit gilt Deutschland immer noch als Vorreiter im Ingenieurswesen. Aber das könne sich schnell ändern. Klöckner-Chef Giesbert Rühl verschärfte diese Aussage. Wenn nur ein Drittel dessen umgesetzt werde, was er bei den amerikanischen Vordenkern gesehen habe, dann müsse sich "die deutsche Autoindustrie warm anziehen".

Die Kanzlerin war noch gut im Thema, da sie bereits auf dem gestrigen BDI Tag der Deutschen Industrie eine gute halbe Stunde zur Digitalisierung der Industrie referiert hatte.

Wirtschaft 4.0 CDU/CSU-Fraktion
Angela Merkel zu "Wirtschaft 4.0 - Chancen für Deutschland"
"Wirtschaft 4.0 - Chancen für Deutschland" war auch der Leitgedanke der heutigen Veranstaltung bei der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Das Hauptschlagwort wurde regelmäßig durch "digitale Wirtschaft" ersetzt. Der Mythos digitaler Wirtschaft wurde gegen die "reale" Wirtschaft auszuspielen versucht. Angela Merkel nannte das Beispiel 30-jähriger Internetunternehmer, deren Firmen von den Großen gekauft würden, so dass die jungen Leute problemlos in den Vorruhestand gehen könnten. So etwas sei in der "realen Wirtschaft" eines Handwerkers nicht vorstellbar.

Catharina von Delden, Gründungsmitglied der innosabi GmbH, holte die Kanzlerin etwas auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie berichtete, dass sie jeden verdienten Cent in das Unternehmen reinvestiere und selbst auf der Gehaltsliste ganz unten stehe. "Passion" sei die Hauptmotivation oder wie Florian Langenscheidt es einmal formulierte: "Money follows Passion". Das ist praktisch gelebtes "Loslassen" eines modernen Unternehmers. Loslassen von Verantwortung in die Hände mündiger Mitarbeiter. Auch beim Stahlkonzern Klöckner werde das laut Giesbert Rühl praktiziert. Dazu habe man dort ein Ampelsystem für Entscheidungsprozesse eingeführt.

Catharina von Delden hatte zwei Wünsche: mehr gute Entwickler und mehr öffentliche Vergaben an innovative kleine Unternehmen. "Ich nehme das mal auf", sagte die Kanzlerin und löste damit eine rege Diskussion in sämtlichen sozialen Netzwerken aus. Die innosabi-Chefin diskutierte noch während der Veranstaltung fleißig per Smartphone mit und berichtete dann über den Meinungstrend.

Wirtschaft 4.0 CDU/CSU-Fraktion
Diskussionsrunde zu "Wirtschaft 4.0 - Chancen für Deutschland"
Im Rahmen dieses nahen Dialoges zwischen Politik und Wirtschaft wurde deutlich, dass Unternehmer nicht auf langwierige Entscheidungsprozesse der Politik warten können. Unternehmer denken in Lösungen und müssen sich schnell den Marktgegebenheiten anpassen. Laut Catharina von Delden suche der Gründer die Verantwortung zuerst bei sich selbst und sehe vieles schon aus Prinzip eher positiv.

Prof. Dr. Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln sprach von der durchbrochenen Lernkurve. Es sei inzwischen nicht mehr so, dass ein heute erfolgreiches Unternehmen automatisch auch morgen noch am Markt sei. Disruption! Disruption als Ablösung bekannter Produkte durch innovativere Produkte, Disruption in gewachsenen Abteilungen einer Firma, Disruption in Denkmustern oder Disruption in der Automobilindustrie beim Nachentwickeln innovativer eMobility-Konzepte à la Tesla.

Disruption übrigens auch innerhalb der Gesellschaft, nämlich zwischen vernetzten und unvernetzten Menschen. Digital Natives und Digital Immigrants behalten den allgemeinen Anschluss. Die Rentnerin ohne DSL und Smartphone kann aber vielleicht bald keinen Schnittkäse auf ihr Brötchen legen, weil sie nicht weiß, wie sie dem Kühlschrank mitteilt, dass er per Twitter eine Bestellung beim Lebensmittelversand auslösen soll. Auch Lehrer sind zunehmend disruptiert, wenn sie mit neuer Technik wie Smartboards konfrontiert werden. Angel Merkel empfahl, dass doch einfach die Schüler ihre Lehrer einweisen sollten und dann zum eigentlichen Unterricht wieder die Rollen getauscht werden. So machen Digital Natives ihre Lehrer zu Digital Immigrants.

Überhaupt müssten laut der Kanzlerin viele Begriffe neu definiert werden. "Was ist ein Auto", kann zukünftig ganz anders beantwortet werden als noch vor zehn Jahren. Wobei wir wieder bei der Ausgangsfrage von Michael Fuchs wären: "Was ist eine Dampfmaschine"?

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 19. November 2014

DIE ZEIT - Konferenz - Digitale Agenda #ZKDA

Die im August von der Bundesregierung präsentierte Digitale Agenda erregt die Gemüter der IT-Branche. DIE ZEIT hatte deshalb für heute zu einer Konferenz im Allianz Forum am Pariser Platz eingeladen.

"Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit", wurde an mehreren Beispielen aus Industrie und Informationstechnik verdeutlicht. Das einst so innovative Unternehmen Dornier betreibt inzwischen nur noch ein Museum und ist ansonsten aus der wirtschaftlichen Relevanz verschwunden. Ein ähnliches Schicksal wurde etwas forsch auch für Daimler angefragt. In diesen Reigen wurden im Laufe des Vormittages auch einige namhafte Handyhersteller und schwächelnde Größen der Telekommunikationsbranche einbezogen.

Zeit Konferenz Digitale Agenda Allianz Forum
DIE ZEIT - Konferenz "Digitale Agenda" #ZKDA im Allianz Forum
Laut CEO Lutz Schüler von Unitymedia KabelBW sei sein Unternehmen ein scharfer Wettbewerber der Telekom, deren Fortbestand als "letzter Mohikaner" der Telekommunikationsbranche in der digitalen Revolution ernsthaft gefährdet sei. Man müsse sich neben den reinen Netzdienstleistungen verstärkt um die gebotenen Inhalte kümmern. Lutz Schüler forderte ein hohes Maß an Skalierbarkeit, die eine schnelle Reaktion auf internationale und schwer kalkulierbare Märkte biete. Momentan stehe zwar deutlich mehr Bandbreite zur Verfügung als nachgefragt werde, aber der Bedarf steigere sich jährlich um 50% je Kunde.

Harald A. Summa, Chef des weltgrößten Internet-Knoten-Betreibers DE-CIX, bekam leuchtende Augen, als es um die Skalierung der Datenmengen ging und berichtete von der kleinen Box, mit der das Ganze Mitte der 1990er Jahre angefangen hatte. Auch er sprang auf den inhaltlichen Zug auf: "Internet enabled" werde durch "Designed for Internet" abgelöst.

Prof. Dr. Dieter Spath, Vorstand der Wittenstein AG, beschäftigt die Digitale Agenda aus Sicht von Industrie 4.0. Einige seiner Maschinen haben vier IP-Adressen und stehen vor der Herausforderung, diese in heterogenen Umgebungen über drahtlose Verbindungen anzusteuern. Besonders markant waren dabei seine Beispiele über die schwache Mobilfunkabdeckung in seiner Region.

Daniel Haver von Native Instruments war früher einmal Zuschauer der digitalen Revolution und ist nun zu einem integralen Bestandteil dieser Entwicklung geworden. Native Instruments ist ein Beispiel dafür, dass deutsche Firmen nach wie vor erfolgreich am Weltmarkt mitspielen und bei Sound-Software den Ton angeben. Auch wenn die Software der wertvolle Teil sei, müsse diese doch über die Hardware verkauft werden. Mit dieser Mischkalkulation lässt sich ein ertragreiches Geschäft gestalten.

Prof. Dr. Klemens Skibicki von der Cologne Business School mahnte eine Optimierung der Kommunikation an. Die Deutschen seien zwar in vielen Ingenieursdisziplinen immer noch ganz vorn, aber die Kommunikation sei absolut ausbaufähig. Gerade dabei müsse eine "digitale Transformation" einsetzen. Klemens Skibicki merkte an:

"Startups brauchen keine Subventionen, sondern Kunden".

Eine wichtige Forderung wurde am Ende des ersten Diskussionspanels formuliert und wird hoffentlich in den nächsten Wochen in die Entscheidungsgremien transportiert:

Venture Capital sollte steuerlich gefördert werden, so dass Investoren das Geld nicht mehr aus dem versteuerten Netto nehmen müssen.

DIE ZEIT hatte also ein sehr gemischtes Podium zusammengestellt und damit die unterschiedlichen Facetten digitaler Wandlungsprozesse behandelt. Mit einem analogen Exemplar der ZEIT verließen wir das Allianz Forum und bedanken und für den informativen Vormittag.

Autor: Matthias Baumann